Wir spre­chen häu­fig von einer Täter-Opfer Dyna­mik und haben ganz klare Posi­tio­nen vor Augen: Eine Per­son oder Gruppe agiert als Täter und eine eine andere Per­son oder Gruppe wird zum Opfer der Täter.

Jedoch ist die­ses Bild der Dyna­mik feh­ler­haft, denn es gibt immer auch einen Ret­ter. Die­ser Ret­ter kann ent­we­der von außer­halb kom­men, was die Dyna­mik zu einer Drei­ecks­be­zie­hung macht, oder eine der bei­den Posi­tio­nen – in man­chen Fäl­len sogar beide Posi­tio­nen – neh­men die Zusatz­rolle des Ret­ters ein. Und ein Ret­ter ist immer auch ein Täter, da er ver­sucht, den Ande­ren zu unterdrücken.

Häus­li­che Gewalt ist manch­mal ein Bei­spiel, in dem sowohl Täter als auch Opfer sepa­rat von­ein­an­der noch zusätz­lich die Posi­tion des Ret­ters ein­neh­men.
Der Täter mag sich mög­li­cher­weise als Ret­ter füh­len, weil sein Part­ner stän­dig nur Feh­ler macht und “klare Gren­zen” auf­ge­zeigt bekom­men muss, um sich bes­ser zu ver­hal­ten.
Das Opfer mag sich als Ret­ter füh­len, weil es den Täter ver­än­dern möchte, ihn somit vor sich selbst ret­ten möchte.

Als his­to­ri­sches Bei­spiel kann Hit­ler die­nen: Er hat sich sel­ber als Ret­ter der deut­schen Kul­tur gese­hen und wurde dadurch zum Täter gegen­über unter ande­rem den Juden, Homo­se­xu­el­len, oder ein­fach nur Men­schen mit ande­ren Ansichten.

In der aktu­el­len Poli­tik sehen wir erneut eine Ret­ter-Opfer-Dyna­mik: Das Volk sieht sich als Opfer der poli­ti­schen Gewalt und wählt eine Par­tei in der Hoff­nung, dass diese die Inter­es­sen des Volks bes­ser ver­tritt als die ande­ren – das Volk somit vor den Fol­gen der Fehl­ent­schei­dun­gen der ver­gan­ge­nen Poli­tik rettet.

Es zeigt sich dem­nach, dass unser Welt­bild mit der ein­di­men­sio­na­len Opfer-Täter-Dyna­mik nicht aus­reicht und um einen Ret­ter ergänzt wer­den muss.
Und wenn uns bewusst wird, dass ein Ret­ter auch immer ein Täter ist und den Geret­te­ten zum Opfer macht, stellt sich die Frage, ob wir einen Ret­ter haben wol­len oder brau­chen; und, ob wir sel­ber wirk­lich ein Ret­ter sein wol­len, wenn es uns doch zu einem Täter macht.



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